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exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen von Tupoka Ogette

exit RACISM – rassismuskritisch denken lernen von Tupoka Ogette

Exit Racism wurde von Tupoka Ogette geschrieben. Sie gehört der Schwarzen/PoC Community an und ist von Beruf Trainerin und Beraterin. Unter anderem leitet sie Kurse, in denen (vor allem weiße) Menschen rassismuskritisches Denken lernen können. Das gesamte Buch ist nach einem bestimmten Schema aufgebaut: Jedes Kapitel beginnt mit einem Input-Teil, in dem verschiedene rassismusbezogene Phänomene angesprochen und erklärt werden. Darauf folgt der interaktive Teil, in dem Tupoka die Leser*innen zum Nachdenken auffordert und ihnen dazu kleine Aufgaben stellt. Der dritte Teil besteht aus Logbucheinträgen ehemaliger Besucher*innen ihrer Kurse, die zeigen, wie der Prozess der Auseinandersetzung mit Rassismus aussehen kann.


Liebe Tupoka,

Folgendes kannst du als meinen finalen Logbucheintrag ansehen. In deinem Buch beschreibst du fünf verschiedene Phasen, die meist durchlaufen werden, wenn eine weiße Person mit dem Konstrukt Rassismus konfrontiert wird: „Happyland“, Abwehr, Scham, Schuld und Anerkennung. Während des Lesens habe ich immer wieder versucht, mich in eine dieser fünf Phasen einzuordnen. Bei mir traten sie nicht in der beschriebenen Reihenfolge zutage. Stattdessen tauchten sie eher willkürlich und plötzlich auf. Deshalb würde ich in meinem Fall eher von Gefühlszuständen und nicht von Phasen sprechen.

„Happyland“ beschreibt den Zustand, in dem Rassismus und dessen Ausmaß als strukturelles System geleugnet werden. Vor dem Lesen des Buchs war ich überzeugt, mich schon lange nicht mehr im Happyland zu befinden. Mittlerweile bin ich mir jedoch nicht mehr vollkommen sicher. Im Buch werden oft die Privilegien weißer Menschen angesprochen. Eines davon beschreibt den Umstand, dass wir als weiße Menschen die Wahl haben, uns dann mit Rassismus auseinanderzusetzen, wann wir möchten. Im Umkehrschluss bedeutet das also auch, dass wir uns dafür entscheiden können, uns nicht mit Rassismus auseinanderzusetzen und es möglich ist, seine Existenz im Alltag einfach zu vergessen. Wenn man den Begriff „Happyland“ also weiter ausdehnt und ihn nicht nur auf das Leugnen des Systems, sondern auch auf dessen Verdrängung bezieht, befinde ich mich wohl manchmal immer noch in diesem Zustand. Und so habe ich begonnen, zu reflektieren. Aktiv darauf zu achten, in welchen Situationen mir meine Privilegien als weißer Mensch zugute kommen und wann die Gefühlszustände Abwehr, Scham, Schuld oder Anerkennung bei mir auftauchen. Somit sehe ich jede Auseinandersetzung mit Rassismus als einen kleinen Fortschritt an. Und als einen erneuten Auszug aus dem leider sehr gemütlichen Happyland.

Meine größter „Aha-Moment“, den ich aus deinem Buch mitnehmen werde, ist dieser hier: der Abwehr-Zustand setzte bei mir gar nicht während des Lesens ein, sondern bevor ich das Buch überhaupt angefasst hatte. Allein der Vorschlag, ein Buch zu lesen, das sich mit dem eigenen rassistischen Verhalten befasst, führte bei mir zu einer inneren Abwehrhaltung. Auch, wenn ich zu diesem Zeitpunkt schon wusste, dass es sich bei Rassismus um ein strukturelles System handelt und nicht nur um individuelle Einstellungen und Handlungen. Paradoxerweise hielt mich aber genau die Befürchtung, bei mir selbst rassistische Verhaltensweisen aufzudecken, davon ab, das Buch zu lesen. So machte ich eine für mich offenbarende Entdeckung. Auch ich habe das vor allem in Deutschland vorherrschende Stigma aufgesogen, dass nur Personen mit einer rechten Einstellung rassistisch handeln. Und somit war mir zwar formal klar, dass Rassismus ein strukturelles System darstellt, unterbewusst schob ich das gesamte Konstrukt jedoch auf die (individuelle) Mikroebene. Warum das ein Problem ist? Um Rassismus bekämpfen zu können, muss man gesamtgesellschaftlich ansetzen.

Entgegen meiner anfänglichen Bedenken konnte ich auch geschichtlich noch eine Menge lernen. So wurde zum Beispiel die Aufklärung von seiner Schattenseite beleuchtet (ja, es gibt sie!). Das auch anerkannte Philosoph*innen wie Immanuel Kant oder Hannah Arendt tief rassistische Sichtweisen vertraten, war mir bis dahin auf meinem Bildungsweg schlichtweg einfach noch nicht begegnet. Auch mit der Kolonialzeit könnte sich in der Schule oder Universität deutlich stärker auseinandergesetzt werden. Weiterhin wird sich in deinem Buch mit dem Einfluss der Sprache beschäftigt. So kann ich mir jetzt sicher sein, bei welchen Begriffen es sich um Selbst- und bei welchen es sich um Fremdbezeichnungen Schwarzer Menschen handelt. Denn nicht wir weiße Menschen legen die Regeln fest, was in Ordnung ist und was verletzend. Und nicht die Intention hinter einer Aussage zählt, sondern wie es bei deinem (Schwarzen) Gegenüber ankommt.

Die Wirkung einer Aussage oder einer Handlung ist ausschlaggebend dafür, ob etwas rassistisch ist oder nicht. In anderen Kontexten ist das oft schneller sichtbar und verständlich. Wenn ich dir mit meinem Auto über den Fuß rolle und diesen dabei breche, verändert sich der Grad deiner Fußverletzung dann gemessen daran, ob ich es bewusst oder unbewusst gemacht habe?

S. 50

Liebe Tupoka, ich würde dein Buch jedem weißen Menschen ans Herz legen, egal wie viel er*sie sich schon mit Rassismus beschäftigt hat und denkt, darüber zu wissen. Danke, dass du exit RACISM geschrieben hast und nicht aufgibst, weitere Menschen aus dem Happyland herauszuholen.

Magda



Das war mein Review des Buches „exit Racism – rassismuskritisch denken lernen“ von Tupoka Ogette. Für die neuesten Updates, weitere Rezensionen und Buchempfehlungen folgt mir gern auf Instagram.

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