Buchempfehlungen, Reviews & Briefe an die Autor*innen

Qualityland von Marc-Uwe Kling

Qualityland von Marc-Uwe Kling

Marc-Uwe Kling ist ein deutscher Autor, Kabarettist und Kleinkünstler. Viele kennen ihn durch seine bekannte Känguru-Trilogie. Bei Qualityland handelt es sich um eine satirische Dystopie, die der typischen Marc-Uwe-Kling-Manier entspricht. „Qualityland“ entstand in zwei verschiedenen Versionen: hell und dunkel. Die Geschichte ist dieselbe, die beiden Versionen unterscheiden sich durch die fiktiven Werbeanzeigen zwischen den Kapiteln.


Lieber Marc,

in Qualityland befasst du dich in deiner typischen Art und Weise mit aktuellen Debatten rund um künstliche Intelligenz, Konsum und Kapitalismus, Digitalisierung und den Umgang mit Daten. Zu deinem Schreibstil gehören für mich sowohl witzige und ironische Überspitzungen als auch ein nörgeliger Ton (jede*r, der die Känguru-Chroniken gelesen hat, weiß vermutlich, wovon ich spreche).

Bei Qualityland handelt es sich um einen Staat, dessen Zukunft nach vielen ökonomischen Krisen einzig in die Hand der Unternehmen gelegt wurde. Seitdem ist es ein Land der Superlative – im Rahmen der neuen „Country Identity“ darf nur noch vom Besten, Größten und Schönsten gesprochen werden. Das Leben der Menschen wird von Algorithmen optimiert. In den Städten Qualitylands (QualityCity, Growth, Progress und Profit) leben seitdem nur noch „Qualitätsmenschen“, deren Nachnamen sich an den Berufen ihrer Eltern orientieren. Die Qualität wird durch das System „RateMe“ gewährleistet, das Zugriff auf alle Daten hat und das Menschen in Level einteilt. Das niedrigste Level ist das zweite, das höchste Level das neunundneunzigste. Die Leveleinteilung hängt mit der „nützlichen Sorge“ der Menschen zusammen, tiefer fallen zu können bzw. dem Glauben daran, es bedürfe einer Optimierung. Diesen Gedanken finde ich sehr spannend, denn wenn man genauer hinschaut, handelt es sich hierbei um eine haarscharfe Beobachtung unserer realen Gesellschaft. Ein Beispiel hierfür wäre die Darstellung von Menschen jenseits der Armutsgrenze in den Medien. Neben RateMe bestimmen weitere Unternehmen und Algorithmen das Leben der Einwohner*innen Qualitylands: QualityPartner findet die*den perfekten Partner*in, TheShop weiß, welche Produkte sich der*die Verbraucher*in wünscht und stellt sie direkt zu, ohne dass sie bestellt werden müssen und die Suchmaschine WIN (What-I-Need) weiß, was man wissen möchte.

Einer der genannten Einwohner- und Verbraucher*innen ist Peter Arbeitsloser. Peter machte ursprünglich eine Ausbildung zum „Maschinentherapeuten“, die er jedoch nicht beenden konnte, da in Qualityland sogenannte Konsumschutzgesetze erlassen wurden. Ein alter Kinderreim in Qualityland besagt: „Neues kaufen, das ist recht. Reparieren, das ist schlecht.“ (S. 80). Stattdessen nahm Peter also den Job des „Maschinenverschrotters“ an. Was jedoch niemand weiß: einige defekte Maschinen leben weiterhin in Peters Keller. Darunter befinden sich unter anderem eine Drohne mit Flugangst, ein Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung, ein Sexdroide mit Erektionsstörungen und ein Rechtsanwalt, der ein Gewissen entwickelt hat und deshalb seinen Job nicht mehr ausüben kann.

Nicht nur aufgrund der defekten Roboter beschleicht Peter nach und nach der Verdacht, dass das System nicht perfekt ist. Als er Werbung für die falsche Partei zugestellt und eines Tages einen lila Delfinvibrator von TheShop zugeschickt bekommt, entdeckt er, dass sein eigenes Profil fehlerhaft ist. Mit dem Versuch, den Delfinvibrator zurückzugeben, beginnt sein persönlicher Kampf gegen den CEO von TheShop und das von Algorithmen bestimmte kapitalistische System. Auf diesem Weg lernt er Kiki und „den Alten“ kennen, die beide versuchen, sich unsichtbar und ohne eine Preisgabe von Daten durch die Welt zu bewegen.

Die Stellen im Buch, in denen Peter „den Alten“ besucht und mit ihm über philosophische und zukunftsrelevante Fragen spricht, zählen meiner Meinung nach zu den interessantesten im Buch. In den Gesprächen befassen sich die beiden damit, was auf der Welt geschehen würde, gäbe es eine allmächtige Superintelligenz. Dabei spielen sie drei verschiedene Möglichkeiten durch: Eine Superintelligenz, die den Menschen wohlgesonnen ist, eine, die sich neutral gegenüber ihnen verhält und eine, die den Menschen feindlich gegenübersteht. Alle drei Möglichkeiten hätten verheerende Auswirkungen auf das menschliche Leben.

„[…] Nun sag mir, wie nennst du ein Wesen, das allgegenwärtig, allwissend und allmächtig ist?“
„Gott?“, fragt Peter.
Der Alte lächelt. „Ja. Jetzt verstehst du, was ich meine, wenn ich sage, dass in einer ironischen Verdrehung all dessen, was uns die Religionen zu lehren versuchten, nicht Gott die Menschen geschaffen hat, sondern die Menschen sich einen Gott schaffen werden.“

S. 166

Lieber Marc, danke, dass du dieses Buch geschrieben hast. Auch wenn ich deine Beobachtungen und Gedanken zu den jeweiligen Themen genial finde, hat mir im Nachhinein ein roter Faden gefehlt. Die gesamte Ausgangssituation und Fantasiewelt, die du erschaffen hast, ist kreativ und brachte mich beim Lesen der ersten Hälfte des Buches fast dauerhaft zum Schmunzeln. Leider fand ich, dass die Spannung der Handlung mit der Zeit nachgelassen hat. Neben der Geschichte Peters werden weitere Handlungsstränge eingewebt (beispielsweise die Präsidentschaftswahl, bei der eine künstliche Intelligenz antritt). Die Geschichten hängen zwar lose miteinander zusammen, jedoch erschließt sich mir am Ende des Buches nicht, worauf genau du hinauswillst. Auch wenn mir die Stellen mit „dem Alten“ sehr gut gefallen haben, habe ich nicht verstanden, was seine Figur zur Handlung beiträgt. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass du gern deine schlauen Gedanken loswerden wolltest, und dazu noch eine Person erfunden und eingebaut hast.

So sitze ich nun hier und bin zwiegespalten, was ich von Qualityland halten soll. Qualityland ist für mich ein Buch, das mit vielen guten witzigen Ideen beginnt, jedoch in der Geschichte selbst nachhinkt und vielleicht auch zu viele Themen miteinander vereinen will. Gut, dass du mittlerweile einen zweiten Teil geschrieben hast. Vielleicht findet ja dort die Handlung noch ein Ende, das deinen witzigen Ideen und spannenden Gedanken gerecht wird.

Magda


Das war mein Review des Buches „Qualityland“ von Marc-Uwe Kling. Für die neuesten Updates, weitere Rezensionen und Buchempfehlungen folgt mir gern auf Instagram.

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