Frederic Laloux ist ein belgischer Autor, Coach und Forscher, der sich mit einer Umgestaltung von Organisationen und Management-Praktiken beschäftigt. Um seine damit verbundenen Ideen geht es auch in Reinventing organizations – An Illustrated Invitation to Join the Conversation on Next-Stage Organizations. In seinem Modell stellt er nicht nur die leistungsorientierte Gesellschaft in Frage, sondern befasst sich auch damit, wie eine zukünftige nachhaltige Arbeitswelt aussehen kann.
Lieber Frederic,
Ich bin ganz ehrlich: ich hätte niemals gedacht, dass ich irgendwann mal freiwillig ein Buch über Management lesen würde. Bis zu deinem Buch habe ich mich von betriebswirtschaftlichen Themen immer bewusst ferngehalten. Der Grund dafür ist, dass ich damit allerhand trockene und tief kapitalistische Strukturen verbinde – Businesspläne, Profitmaximierung und schmierige Typen im Anzug. Natürlich handelt es sich dabei um Stereotype. Trotzdem habe ich nie den Drang verspürt, mich mit solchen Themen näher auseinanderzusetzen, auch wenn mir klar ist, dass auch ich durch den Einstieg auf den Arbeitsmarkt früher oder später mit solchen Strukturen konfrontiert werde. Zum Glück entschied ich mich nach langem Drängen meines Freundes doch noch dazu, das Buch zu lesen. Denn so stellte ich fest, dass es sich bei Reinventing Organizations nicht um einen typischen Management-Ratgeber handelt. Stattdessen kritisiert es genau die Punkte, die ich oben anspreche (wenn auch differenzierter, als ich es getan habe).
Dein Buch ist in drei Teile gegliedert. Im ersten wirfst du einen Blick darauf, wie sich Organisationen und Unternehmen historisch entwickelt haben. Dabei identifizierst du vier verschiedene Weltansichten, die aufeinander folgten: impulsiv, konformistisch/traditionell, leistungsorientiert und pluralistisch. Hier folgt eine kurze Übersicht, was die jeweiligen Stufen bedeuten:

Jede Weltansicht ist gekennzeichnet durch neue Errungenschaften, aber auch Probleme, aufgrund deren sich dann der Wandel zur nächsten Stufe vollzieht. Natürlich lassen sich die Stufen in der Realität nicht trennscharf voneinander abgrenzen. Vielmehr können in einzelnen Organisationen auch verschiedene Weltansichten koexistieren oder aufeinanderprallen. Durch die Probleme, die durch leistungsorientierte Strukturen geschaffen wurden und die die pluralistische Weltansicht nicht zu lösen vermag (Stichwort Klimawandel und planetare Grenzen!), entsteht heutzutage eine weitere, neue Stufe: die evolutionäre Weltansicht. Um diese Weltansicht geht es im zweiten Teil des Buchs. Sie beschreibt einen neuen Typus von Organisationen, der auf Selbstverwaltung und Ganzheitlichkeit der Mitarbeitenden beruht. Dadurch, dass jede*r Mitarbeitende mit seinen Stärken und Schwächen anerkannt wird und diese genutzt werden, um eine differenzierte Arbeitsteilung ohne zentrales Kontrollorgan und starre Hierarchien zu gewährleisten, entwickelt sich die Organisation wie von selbst. Hier nutzt du die Metapher eines lebendigen Organismus: jede Zelle übernimmt eine eigene, spezielle Aufgabe, die weder besser noch schlechter sein kann als die der anderen. Jede einzelne Zelle ist wichtig für den Erhalt des gesamten komplexen Organismus. Für manch eine*n mag sich das nach einer Utopie anhören. Im zweiten Teil des Buches zeigst du jedoch anhand von realen Beispielen (Unternehmen, Non-Profit-Organisationen, Krankenhäuser und Schulen), dass dieser evolutionäre Typus möglich ist und teilweise sogar bereits umgesetzt wird. Bekannte Beispiele sind das Unternehmen Patagonia aus den USA und das niederländische Unternehmen Buurtzorg, das sich mit einer Umgestaltung der ambulanten Pflege beschäftigt.
We have reached a stage where we often pursue growth for growth’s sake, a condition that in medical terminology is called cancer.
S. 29
Im dritten Teil des Buches beschäftigst du dich nun damit, welche Voraussetzungen es braucht, um eine Organisation nach dem evolutionären Modell zu gestalten. Dabei wird sowohl auf den Aufbau einer neuen Organisation als auch auf den Umbau bereits bestehender Organisationen eingegangen. Dazu werden sogar konkrete Maßnahmen vorgeschlagen, die sich in Organisationen des evolutionären Typus bereits bewährt haben. Du gehst hier nicht nur auf die Perspektive des „CEO“ ein, sondern zeigst auch, dass jede*r Mitarbeitende etwas verändern kann.
Lieber Frederic, danke, dass du dieses Buch geschrieben hast. Durch dein Buch habe ich nun eine Vorstellung davon, wie mein späterer Arbeitsplatz bestenfalls aussehen kann. Wenn die Organisation, in der ich irgendwann mal arbeiten werde, nicht dem evolutionären Typus entspricht, habe ich durch dein Buch einige Ideen sammeln können, wie sich die Werte Nachhaltigkeit, Ganzheitlichkeit und Selbstverwaltung in eine Organisation einbringen lassen. Reinventing Organizations würde ich allen empfehlen, die eine neue Organisation gründen wollen, mit ihrem derzeitigen Arbeitsplatz unzufrieden sind oder sich noch nicht sicher sind, was sie von ihrem Einstieg in die Berufswelt eigentlich erwarten sollen. Ach ja: Politiker*innen würde ich das Buch auch empfehlen. Vielleicht finden sie ja endlich einige Anregungen dazu, was es neben Applaus braucht, um die vorherrschende Pflegekrise in Deutschland zu bewältigen.
Magda
Das war mein Review des Buches „Reinventing Organizations – An Illustrated Invitation to Join the Conversation on Next-Stage Organizations“ von Frederic Laloux. Für die neuesten Updates, weitere Rezensionen und Buchempfehlungen folgt mir gern auf Instagram.
2 Responses
Was ist eigentlich dieses Patriarchat?
[…] https://mag-das-buch.de/2022/03/31/reinventing-organizations-an-illustrated-invitation-to-join-the-c… […]